Propaganda der Bundeswehr

Unter dem Titel „Ethnologen in Flecktarn“ hat Die Zeit einen kritischen Artikel von Peter Dausend zur Propaganda der Bundeswehr (6.8.2015) veröffentlicht, den wir im Rahmen unseres Projekts „Kriegsrhetorik“ auszugsweise zitieren und erörtern möchten.

Oberst Christian Bader, der Kommandeur des „Zentrums für operative Kommunikation der Bundeswehr“ mit Sitz im rheinland-pfälzischen Mayen, sagt: „Unsere Waffen sind Wort, Bild und Ton. […] Was wir hier machen, ist weit von Propaganda entfernt. Wir verstehen uns als eine Einheit, die informiert – und nicht desinformiert.

Wo ist die Trennlinie zwischen Propaganda und Information? Aufschlussreich hierfür sind die Auslandseinsätze von Spezialkräften des genannten Kommunikationszentrums, die Peter Dausend so beschreibt:

Die Mayener Soldaten rücken auch aus – überall dorthin, wo sich die Bundeswehr an multinationalen Auslandseinsätzen beteiligt. Ihrem Selbstverständnis nach agieren die Wort- und Bild-Kämpfer als Aufklärer und Erklärer – indem sie sich direkt an die Zivilbevölkerung wenden: über Broschüren, Plakate und Flugblätter, mit Videos, CDs und DVDs, mithilfe von mobilen Lautsprechern oder interkulturellen Einsatzberatern. In Afghanistan etwa verteilten die Kommunikatoren in Flecktarn Handzettel an Kinder und Jugendliche, auf denen der Tausch „Waffen gegen Schulhefte“ angeboten wurde.

Dazu sei angemerkt, dass 900 Politologen, Ethnologen und Psychologen ständig die Daten von künftigen Einsatzorten der Bundeswehr sammeln und auswerten, damit ihre Erkenntnisse in die Entscheidungen einfließen können. Sehr genau zeichnet Peter Dausend den Strategiewandel in der Propagandaarbeit des Kommunikationszentrums nach:

Als es noch das „Feindesland“ und kein „Einsatzgebiet“ gab, war „psychologische Kriegsführung“ das Ziel jeder Kommunikation, die sich an die Menschen dort richtete. Dieses Denken und Handeln hält Zentrumsleiter Bader längst für kontraproduktiv. In den Wortwandlungen über die Jahrzehnte, von „psychologischer Kampfführung“ zu „psychologischer Verteidigung“ zu „operativer Information“ und schließlich zu „operativer Kommunikation“, erkennt der Oberst den schrittweisen Strategiewechsel der Bundeswehr: weg von den Verzerrungen und Lügen des Kalten Krieges, die allesamt darauf abzielten, den Gegner herabzuwürdigen und vor der Öffentlichkeit bloßzustellen, hin zu demonstrativer Offenheit. Diese erhöht zwar die eigene Glaubwürdigkeit, tarnt aber gleichzeitig eine subtilere Form der Propaganda: Seht her, lautet die unterschwellige Botschaft, wir sind der anderen Seite moralisch so weit überlegen, dass wir schmutzige Tricks nicht mehr nötig haben. Wir sind die Besseren.

Der subtile Einsatz von ‚Information‘ verträgt sich allerdings kaum mit den Gepflogenheiten der US-Propaganda, die traditionell eher auf Desinformation setzt. Wie Peter Dausend zeigt,  ist dieser Interessenkonflikt innerhalb der NATO im Fall der Ukraine deutlich hervorgetreten:

Mit Sorge sieht man in der Eifel wie auch in Berlin, dass vor allem die Amerikaner in der Nato darauf drängen, der neu entfachten Propaganda-Offensive Russlands mit den gleichen Methoden zu begegnen. Dass der Nato-Oberbefehlshaber in Europa, US-General Philip Breedlove, den Konflikt in der Ostukraine öffentlich zuweilen so darstellt, als rüsteten russische Truppen für den Sturm auf Kiew, hat selbst den eisernen Pro-Amerikanismus der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erschüttert: Amerikanischen Wünschen nach mehr Gegenpropaganda seitens der Bundeswehr hat sie daher eine Absage erteilt. In Mayen sieht das Oberst Bader genau wie seine Chefin: „Halbwahrheiten oder Lügen wären der Todesstoß für unsere Glaubwürdigkeit. Das ist ein absolutes No-Go. Da machen wir nicht mit.“

Tieferen Einblick in die Propaganda der USA vermitteln die Forumbeiträge George Friedman: US-Geostrategie  und  Zbigniew Brzezinski: das eurasische Schachbrett.

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